Linkshänder-Initiative

Wie heute noch umgeschult wird

Noch vor 40 Jahren unterstellte man linkshändigen Kindern grundsätzlich einen schlechten Charakter. Oft wurden solche Kinder von ihren Eltern und Erziehern gefoltert: man band ihnen die linke Hand auf den Rücken oder machte die Hand durch Verbände unbenutzbar. Die Umschulung auf die rechte Schreibhand war pädagogischer Standard.
Wer sich heute für linkshändige Kinder engagiert, stößt zunächst auf Verständnislosigkeit: "Linkshändigkeit ist doch heute kein Problem mehr! Jedes Kind darf mit der linken Hand schreiben, wenn es will." Aber Jahrhunderte alte Diskriminierungen verschwinden ja nicht innerhalb weniger Jahrzehnte!
Händigkeit ist angeboren und zeigt sich bei gesunden Kindern meist schon im zweiten Lebensjahr. Vererbung spielt eine Rolle, aber man kann nicht einfach von der Händigkeit der Eltern auf die des Kindes schließen. Leider glauben viele Eltern und KindergartenpädagogInnen immer noch, anfängliche Linkshändigkeit habe nichts zu bedeuten, und das Kind könne bis zum Schulbeginn noch zum Rechtshände/zur Rechtshänderin werden. Das Ignorieren der Linkshändigkeit durch ein soziales Umfeld von RechtshänderInnen, auch in Form fehlenden Interesses am Thema Händigkeit, kann ein Kind stärker verunsichern als ein Verbot der linken Hand! Kinder lernen durch Nachahmung, und linkshändigen Kindern fehlt es oft an linkshändigen Vorbildern. Kinder übernehmen die Wertordnung ihrer Erzieher, und so kommt es auch heute noch vor, dass linkshändige Kinder im Kindergarten von ihren rechtshändigen Kameraden verspottet werden. Sie bemühen sich dann ohne weitere Aufforderung durch die Erwachsenen, so zu sein wie alle anderen. Immer noch müssen Kinder bereits in einem Alter, in welchem sie links und rechts noch gar nicht unterscheiden können, mit der "schönen Hand" grüßen, was für linkshändige Kinder großen Stress bedeutet und sie in ihrer Identität sehr verunsichert! Die Zivilisation mit ihren vielen für RechtshänderInnen gestalteten Gebrauchsgegenständen tut das Ihre dazu. Wie viele Situationen im Alltag nach der rechten Hand verlangen, macht die Satire Hürden für Linkshänder deutlich.

So werden linkshändige Kinder oft schon bei der Schuleinschreibung als „BeidhänderInnen“ oder gar als RechtshänderInnen eingestuft und lernen mit der rechten Hand schreiben. Nur etwa 12% aller österreichischen Kinder schreiben mit der linken Hand. In fortschrittlicheren Ländern sind es bis zu 30% und mehr!

Kann die Selbstumschulung eines Kindes denn schädlich sein? Meist fallen vor dem Schuleintritt Probleme nicht auf. Wohl bleibt die Leistungsfähigkeit der nicht dominanten Hand trotz intensiven Trainings immer ca. 10% hinter jener der dominanten Hand zurück, doch ist die Hand in einem bestimmten Ausmaß durchaus belastbar. Dieses Maß wird vom natürlichen Körpergefühl kontrolliert. So entwickeln linkshändige Kinder in der noch stressarmen Atmosphäre der Vorschulzeit ihre individuellen Strategien, um sich nicht zu überfordern:

Daniel weiß aus Erfahrung, dass der länger dauernde einseitige Gebrauch seiner rechten Hand nicht angenehm ist. Sein Zeichenstil ist daher schemenhaft und knapp, er ist schnell mit einer Darstellung fertig, legt keinen Wert auf Details. Nach dem Zeichnen braucht er Bewegung - Laufen, Klettern, Fußball spielen.

Sara arbeitet lang an ihren Zeichnungen. Sie ist bemüht, alles ganz genau so aufs Papier zu bringen, wie es ihr vorschwebt. Sie schafft das auch, aber nur mit vielen Pausen, in denen sie sich anders beschäftigt: sie schaut ihrer Freundin beim Zeichnen zu, bewegt sich mit Tanzbewegungen durch den Raum, wühlt mit beiden Händen in der Spielzeugtruhe, sieht aus dem Fenster. Bei anderen Gelegenheiten zeigt sie, dass ihre Konzentrationsfähigkeit überdurchschnittlich gut ist, z.B. wenn man ihr lange Geschichten vorliest, und sie sie ganz genau nacherzählen kann!

Viktoria ist sehr ehrgeizig. Sie will alles genau so gut machen wie die RechtshänderInnen, und sie schafft das auch. Irgendetwas in ihr macht sich aber Sorgen, sie könnte eines Tages versagen. Daher ist sie bei kleinen Misserfolgen oder dem, was sie dafür hält, schnell beunruhigt und muss getröstet werden.

Bald gehen die 3 Kinder in die Schule.
Jetzt kann Daniel den Umfang und die Detailgenauigkeit seiner Hausübung nicht mehr selbst bestimmen. Auch wenn sein alarmierter Instinkt Widerstand leistet - die Pflicht muss getan werden. Mit klaren Strukturen, Belohnungen und zuweilen auch unangenehmen Konsequenzen wird sein natürliches Körpergefühl betäubt.
Saras Freizeit ist nun nur noch knapp bemessen. Stunden verbringt sie vor ihren Heften, und es geht nichts weiter. Aber Sara ist intelligent. Irgendwann sieht sie ein, dass Schlafengehen ohne vorher ausgiebig herumgetollt zu haben ebenso unangenehm ist wie schneller schreiben. Sie entscheidet sich für Letzteres. Die Hand tut ihr zwar weh, aber sie genießt das angenehme Bewusstsein, die Pflicht für heute endgültig erledigt zu haben.
Viktoria bleibt so übersensibel. Jeden Tag bereitet sie ihre Mutter darauf vor, dass sie heute bestimmt eine schlechte Note bekommen wird, aber die Vorhersage tritt nie ein. Trotzdem entwickelt Viktoria keine Zuversicht.

Vielen Erwachsenen ist nicht mehr bewusst, welch enorme Leistung das Schreiben für das Gehirn darstellt. Viele Gehirnregionen müssen zusammenwirken, damit die feinen Bewegungen der Hände und Finger, das Finden der Zeile über das Zusammenspiel von Händen und Augen, das Hören der einzelnen Sprachlaute, ihre Übersetzung in Buchstabenzeichen und die Vorstellung davon, was die Wörter bedeuten (Gegenstände, Tätigkeiten, Gefühle etc.) ein sinnvolles Ganzes ergeben. Für den Gebrauch der falschen Hand verbraucht das Gehirn 30 % zusätzlicher Energie. Beim Schreiben werden dabei alle anderen beteiligten Regionen des Gehirns in die unnatürlichen Reizabläufe hineingezogen. Es entsteht eine Unordnung, für deren Ausgleich das ganze weitere Leben lang unnötig Energie aufgewendet werden muss. Nicht jeder Mensch kann diese Belastung gleich gut ertragen. Manche Kinder reagieren darauf schon in der Volksschule mit Konzentrationsschwäche, Gedächtnisausfällen, Sprachblockaden wie leichtem Stottern oder Sprechunwillen, Ungeschicklichkeit, Verwechseln von rechts und links oder mit leichten Formen von Legasthenie, aber auch mit Migräne oder Allergien, vor allem aber mit Schulunlust. Andere fühlen sich erst im Gymnasium überfordert, wieder andere im fortgeschrittenen Erwachsenenalter, wenn es dann sehr schwierig geworden ist, die Ursache zu erkennen.

Dr. Peter Böhm hat in seiner Dissertation nachgewiesen, dass umgeschulte Kinder deutlich schlechtere Schullaufbahnen (Klassenwiederholungen, fehlende AHS - Reife, abgebrochene Schulausbildung) aufweisen als Kinder, deren Händigkeit nicht umgeschult wurde. Vieles in seiner Arbeit deutet darauf hin, dass die Hälfte der Kinder von Natur aus LinkshänderInnen sind! Allerdings geht er davon aus, dass 20% der LinkshänderInnen zu RechtshänderInnen werden, ohne Probleme zu bekommen.

Abbildung 1 zeigt die 4 Gruppen, in welche die Kinder nach einem Händigkeitstest eingeteilt wurden: 1 = rechtshändige Kinder, 2= beidhändige Kinder, die stärker die rechte Hand benutzen, 3 = beidhändige Kinder, die stärker die linke Hand benutzen, 4 = linkshändige Kinder. Sowohl viele sogenannte "beidhändige" Kinder als auch manche scheinbar rechtshändige Kinder sind umerzogen worden!

Abbildung 1: Die 4 Cluster

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Aus Abbildung 2 ist ablesbar, dass die Zahl der Kinder mit schlechten Schullaufbahnen in den Gruppen der "BeidhänderInnen" besonders hoch ist, vor allem in Gruppe 2, zu welcher sehr viele umgeschulte Kinder gehören.

Abbildung 2: Schullaufbahnen der 4 Gruppen

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Abbildung 3 stellt die Schullaufbahnen der umgeschulten Kinder denen der nicht umgeschulten Kinder gegenüber.

Abbildung 3: Schullaufbahnen umgeschulter und nicht umgeschulter Kinder

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Kinder, die unter den oben angeführten Schwierigkeiten leiden, sollten frühzeitig einem linkHändigkeitstest unterzogen werden, damit im Fall einer unerkannten Linkshändigkeit auf jeden Fall noch während der Volksschulzeit eine linkRückschulung auf die linke Hand versucht werden kann. Das kann sowohl für den schulischen wie auch für den späteren beruflichen Erfolg von entscheidender Bedeutung sein!

Angst vor Schreibschwierigkeiten sind von Natur aus unbegründet. Allerdings sind leider bis heute viele
linkGrundschulpädagogInnen im angemessenen Umgang mit linkshändigen Kindern nicht ausgebildet! Bei richtiger linkSchreibhaltung verwischt man das Geschriebene nicht!

Kinder, deren Gehirn nicht normal funktioniert, oder die eine angeborene oder erworbene Bewegungsstörung haben, entwickeln oft weder eine klare Rechtshändigkeit noch eine klare Linkshändigkeit. Ohne Beeinflussung von außen wechseln sie bei ein und derselben Tätigkeit ständig die Hand. Ihr Gehirn findet nicht zu jener Ordnung in den Handlungsabläufen, die für ein ungestörtes Lernen Voraussetzung sind. Vermutlich finden sich viele solche Kinder in Gruppe 3 der obigen Untersuchung. Gesunde Kinder, die von Natur aus beidhändig sind, findet man sehr selten!
Ein Kind, das trotz aufmerksamer, toleranter Erziehung mit 4 Jahren noch immer die Hand wechselt, sollte ärztlich untersucht werden! Es könnte z.B. an einer MCD (geringfügige Gehirnfunktionsstörung) infolge von Sauerstoffmangel bei der Geburt oder an einer motorischen Entwicklungsverzögerung leiden, was beispielsweise häufig bei Kaiserschnittkindern der Fall ist. Gerade die meist relativ harmlosen Entwicklungsverzögerungen können durch ergotherapeutische Übungen gut behandelt werden. Das schafft eine wichtige Voraussetzung dafür, dass das Kind sich in der Schule ausreichend konzentrieren kann! Auch führen die Übungen meist dazu, dass die angeborene Händigkeit des Kindes klar erkennbar wird. Leider werden Kinder mit wechselndem Handgebrauch oft zu den LinkshänderInnen gezählt und nähren das Vorurteil, Linkshändigkeit sei nicht ganz normal.

Linkshändigkeit ist eine ganz normale Variante des Gehirndominanzmusters. LinkshänderInnen sind genauso intelligent wie RechtshänderInnen. Linkshändige Kinder lesen aber Wörter oft als ganzes Bild und brauchen manchmal etwas länger, um sich auch alle einzelnen Buchstabenelemente einzuprägen. Sie würden von Natur aus lieber von rechts nach links schreiben und müssen sich erst an die umgekehrte Richtung gewöhnen. Gesunde linkshändige Kinder schaffen das! Anfängliche Buchstabenverdreher verschwinden nach wenigen Monaten von selbst.

Im Durchschnitt zeigen linkshändige Kinder andere Begabungsschwerpunkte als RechtshänderInnen. Man findet unter ihnen doppelt so viele gute Mathematiker. Viele linkshändige Kinder drücken sich gern ohne Sprache aus. Sie sind häufig begabt im Zeichnen oder Singen und können sich gut in andere Menschen einfühlen. Ihr gutes Raumvorstellungsvermögen befähigt manche besonders zum Bau technischer Geräte oder zur Architektur. Unter LinkshänderInnen findet man viele bedeutende Persönlichkeiten: Leonardo da Vinci, Albert Einstein, Mahatma Ghandi, Bill Gates und Bill Clinton.

Leider sind viele Werkzeuge für LinkshänderInnen seitenverkehrt gebaut, und so erscheinen linkshändige Kinder manchmal ungeschickter, als sie sind. Auch begabte linkshändige GeigerInnen haben es mit einem Rechtshänderinstrument schwerer, zu berühmten Solisten oder zu Konzertmeistern in einem Orchester zu werden, als RechtshänderInnen. Der Linkshänder Jimi Hendrix aber wurde mit seiner umgekehrten E-Gitarre zum größten Gitarrenvirtuosen aller Zeiten! linkMusikinstrumente

Wir werden in absehbarer Zeit nicht alle Benachteiligungen von LinkshänderInnen beseitigen können, aber wir müssen die Linkshändigkeit von Kindern beachten und dafür sorgen, dass in Zukunft kein Kind mehr zum Schreiben mit der falschen Hand angeleitet wird!

Verdeckte (unerkannte) Linkshändigkeit

Die Geschichte eines lernunwilligen Volksschulkindes

Vor der Schule war Manuela ein lebendiges, wissbegieriges Kind. Sie bastelte sehr genau und fantasievoll und konnte auch schon viele Wörter lesen. Während der ersten Schulwochen kam sie begeistert nach Hause, und das Lernen machte ihr Spaß. Nach und nach aber wirkte sie immer zerstreuter. Während der Hausaufgaben stand sie alle paar Minuten auf, um irgend etwas scheinbar sehr Wichtiges zu erledigen. Sie verdrehte Buchstaben in Wörtern, die sie zuvor schon richtig geschrieben hatte, und zwischendurch fiel ihr irgendein Wort überhaupt nicht mehr ein. Ihre Schrift blieb schlampig, auch bastelte sie nicht mehr so genau wie früher. Eines Tages wachte sie mit starken Kopfschmerzen auf und wollte nicht mehr in die Schule gehen. Die Eltern waren enttäuscht und ratlos – war das noch ihr Kind? Die Lehrerin bescheinigte Manuela ganz normale Intelligenz und vermutete die Ursache des Problems in der unbefriedigende Unterrichtssituation mit der zu großen Klasse. Manuelas Freundin Sophie aber war der selben Situation ausgesetzt und hatte ihren Lerneifer trotzdem nicht verloren.

Sophies Vater ist linkshändiger Künstler und mit dem Thema Händigkeit vertraut. Er weiß, dass das Schreiben mit der falschen Hand genau jene Schwierigkeiten mit sich bringen kann, unter denen Manuela leidet. Man vereinbart einen Termin in einer Beratungspraxis.

Beim Händigkeitstest darf Manuela einfach spielen. Es gibt viele unterschiedliche Kreisel, Perlen zum Auffädeln, verschiedene Bausysteme, Bälle, Jongliertücher und vieles mehr. Manuela verwendet meistens die rechte Hand, aber oft auch die linke. Während sie mit ihrem Lieblingsspielzeug allein weiterspielt, liegt es nun an den Eltern, viele zusätzliche Fragen zu beantworten: Manuelas Geburt ist ganz normal verlaufen. Manuela hat keine Krankheiten oder Verletzungen erlitten, die das Gehirn betreffen könnten, und sie hat sich auch nie Arme oder Hände ernsthaft verletzt. Mit welcher Hand Manuela im zweiten Lebensjahr nach Gegenständen gegriffen hat, wissen die Eltern nicht mehr zu sagen. Manuela kam sehr bald in den Kindergarten. Zuvor hatte sie den Löffel in die linke Hand genommen und mit der linken Hand gezeichnet. Man hatte die Kindergartenpädagogin darauf aufmerksam gemacht, aber diese hatte gemeint, man könne in diesem Alter noch nichts über die Händigkeit sagen. Man solle einfach einmal abwarten - bis zum Schulbeginn werde sich dann schon zeigen, ob Manuela Rechtshänderin oder Linkshänderin ist. Wenn beide Eltern Rechtshänder sind, sei es auch sehr unwahrscheinlich, dass das Kind wirklich die linke Hand bevorzugt. Nach einiger Zeit wechselte Manuela beim Essen die Hand und gebrauchte schließlich freiwillig nur noch die rechte. Wenn sie malte, tat sie das jetzt auch rechts, aber das Zeichnen machte ihr keinen großen Spaß. Sie bastelte lieber. Die Schere hatte Manuela anfangs in die linke Hand genommen. Die Eltern hatte das nicht gestört. Bald aber schien Manuela selbst durchschaut zu haben, dass das Schneiden mit der rechten Hand besser funktionierte. Im letzten Kindergartenjahr durfte sie zu Hause auch hin und wieder auf dem Computer spielen. Sie versuchte, die Maus in die linke Hand zu nehmen, aber das ganze Gerät stand am linken Tischrand, und so konnte Manuela schnell davon überzeugt werden, dass der Platz der Maus eben rechts ist. Bei der Schuleinschreibung ergab der Handdominanztest Rechtshänderwerte, und so lernte Manuela mit der rechten Hand schreiben.

Manuela ist mit großer Wahrscheinlichkeit umgeschulte Linkshänderin! Dennoch wird vorsichtshalber auch jetzt noch mit dem endgültigen Befund gewartet.

Nachdem Manuela schon heftig die Zuwendung der Erwachsenen einfordert, ist sie jetzt wieder dran. Vor ihr auf dem Tisch liegt eine Schreibunterlage, auf der die Umrisse eines leicht nach rechts gedrehten A4 – Blattes abgebildet sind. Darauf wird ein Blatt mit vorgezeichneten Schwungübungen gelegt und Manuela soll darauf achten, dass das Blatt auch immer schräg liegen bleibt. Sie bekommt weiche dreieckige Buntstifte in die linke Hand. Damit soll sie die Kringel nachmalen und darf dazwischen auch verschiedenartige Früchte anfärben. Manuela will das zuerst nicht tun. Sie erzählt, dass Paul im Kindergarten gesagt hat, LinkshänderInnen bekämen in der Schule schlechte Noten, weil sie dümmer sind. Es dauert eine gewisse Zeit, bis man Manuela dazu ermutigen kann, mit der linken Hand das Malen zu versuchen. Sie legt zwischendurch die Stifte weg und nimmt sie wie gewohnt in die rechte Hand. Sie darf einen Stift in der rechten Hand halten, soll aber mit der linken weitermalen. Sie bekommt den Auftrag, jeden Tag 10 Minuten mit der linken Hand zu üben, auch wenn das, wie sie sagt, „komisch“ ist. Die Eltern sollen Manuela dabei unterstützen und beobachten, welche Auswirkung die Übung auf Manuelas Wohlbefinden hat. Man vereinbart einen weiteren Termin in 3 Wochen. Während dieser Zeit entwickelt Manuela eine erstaunlich Geschicklichkeit im Nachzeichnen der Kringel. Sie ist froh, endlich wieder Erfolg zu haben und macht ihre Aufgabe gerne. Schließlich fängt sie selber an, mit der linken Hand Buchstaben und Wörter zu schreiben. Ihre Hausaufgaben mit der rechten Hand erledigt sie jetzt noch unwilliger als früher, aber insgesamt erscheint sie wieder selbstsicherer und lebendiger.

Somit sind die letzten Zweifel an Manuelas Linkshändigkeit ausgeräumt, und es stellt sich die bange Frage, ob ihre Lehrerin einer Rückschulung auf die linke Hand zustimmen wird. Manuela hat zweifach Glück, zum einen, weil man ihre Linkshändigkeit schon in der ersten Klasse entdeckt hat. Auch die Lehrerin hat Verständnis und unterstützt das Vorhaben, so gut sie kann. Manuela lernt nun, wie man die Hand richtig unter der schrägen Zeile führt, damit die Schrift nicht verwischt wird. Sie bekommt eine zweite Schreibunterlage für die Schule, damit die Lehrerin die Blattlage nicht kontrollieren muss. Das kann Manuela jetzt schon selber. Sie probiert verschiedene Tintenroller und Füllfedern aus und entscheidet sich für eine, die von den Eltern dann im Fachhandel besorgt werden soll.

Nach 2 Monaten schreibt sie genauso schnell wie die anderen Kinder. Ihre Hefte sind viel schöner und sauberer als die des linkshändig schreibenden Stefan. Der hält seine Hand seltsam hakenförmig und verwischt sich trotzdem manchmal die darüber liegende Zeile, weil sie nicht rechtzeitig trocken wurde.

Manuela geht nun gern in die Schule. Auch ihre Hausaufgaben erledigt sie ohne Widerstand. Sie kann sich deutlich länger konzentrieren als zuvor. Nur die Buchstaben schreibt sie noch manchmal in der falschen Reihenfolge. Aber auch das wird mit der Zeit besser werden.

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© Dr. Elisabeth Ertl - 2005