Infos für VolksschullehrerInnen

Kinder, deren Linkshändigkeit bekannt ist, dürfen schon seit Langem mit der linken Hand schreiben. Wie aber unterrichtet man Kinder ihrer Händigkeit entsprechend? Hier erfahren Sie, was in den Curricula anderer Länder bereits Standard ist!

Linkshändige Kinder sind dem ergonomischen Anpassungsdruck der Rechtshänderzivilisation ausgesetzt. Diesem Faktum wird bis heute in Kindergärten kaum pädagogisch begegnet. Nicht alle Kinder, die bei der Schuleinschreibung rechtshändig erscheinen, sind daher tatsächlich RechtshänderInnen. Nur vitale durchsetzungsstarke Kinder behaupten ihre Linkshändigkeit ohne Hilfe der Erwachsenen gegen auch heute noch gängige Vorurteile! Viele beginnen das Schreiben mit der falschen Hand und leiden in der Folge unter einer beeinträchtigten geistigen Leistungsfähigkeit. Wir müssen damit rechnen, dass zumindest 25% aller Kinder linkshändig veranlagt sind! Der am Wiener Allgemeinen Krankenhaus tätig gewesene Kinderpsychiater Andreas Rett hat in seinem Buch "Linkshänder" bereits 1973 darauf hingewiesen, dass bei einem Experiment in Sao Paulo, bei welchem schon im Kleinkindalter auf Beeinflussung verzichtet wurde, 40% aller Kinder mit der linken Hand schrieben. Rett folgert daraus für die Grundschulpädagogik: "Dass wir für eine zwar zahlenmäßig nicht genau erfasste, gewiss aber große Gruppe von Schülern mit einer Klärung des Problems der Händigkeit mehr tun können als mit einer Konstruktion neuer Schulmodelle und -systeme, ist heute offenbar noch nicht erkannt worden." Seine Ermahnungen blieben in Österreich bis heute weitgehend ungehört. Im schulisch erfolgreichen Bayern schreiben nach einer radikalen Reform der Lehrpläne auf Anregung der Expertin Johanna Barbara Sattler mittlerweile bis zu 33% der SchulanfängerInne mit der linken Hand! So kann mittlerweile auf umfangreiche pädagogische Erfahrung zurückgegriffen werden:
Händigkeit ist ein Aspekt der Identität eines Menschen. Sprechen Sie das Thema Händigkeit in geeigneter Weise immer wieder vor den Kindern an! Geben Sie beispielsweise Erklärungen zum Schreiben, wo es nötig ist, einmal für RechtshänderInnen und einmal für LinkshänderInnen! Vermeiden Sie diskriminierende Ausdrücke wie "schöne Hand". Unterbinden Sie Ausdrücke wie "linken", "linker Typ", "linkisch".
Achten Sie auf folgende Warnsignale, welche auf verdeckte Linkshändigkeit hinweisen können: schlechtes Schriftbild, Schreibunlust, rasche Ermüdbarkeit und schwache Konzentration trotz normaler Intelligenz, Neigung zu Black outs und so genannten Flüchtigkeitsfehlern (einzelne Buchstaben- und Zahlenverdreher, Auslassungen) ohne Hinweise auf echte Teilleistungsstörungen, Störungen im Sprachfluss, vor allem, wenn sie logopädisch nicht in den Griff zu bekommen sind und Neigung zu Ablenkbarkeit und motorischer Fahrigkeit. Auch psychosomatische Beschwerden ungeklärter Ursache können Hinweise sein. Lesen Sie dazu auch das Kapitel Umschulung! Sprechen Sie in solchen Fällen mit den Eltern und raten Sie zu einem Händigkeitstest. Selbstverständlich können alle genannten Symptome auch andere Ursachen haben. Andererseits können Teilleistungsstörungen und die Folgen von psychosozialem Stress durch das Schreiben mit der falschen Hand verstärkt werden!
Oft treten Symptome nicht schon zu Schulbeginn, sondern erst mit steigenden feinmotorischen Anforderungen auf. Im Lauf der ersten beiden Schuljahre empfiehlt sich noch eine
Rückschulung auf die dominante Schreibhand. Diese Maßnahme bedarf selbstverständlich professioneller Begleitung außerhalb der Schule (Linkshänderberatung, Ergotherapie) und ist nur bei entsprechender Motivation des Kindes, pädagogischer Einigkeit zwischen Eltern und LehrerIn und der engagierten Mithilfe der Eltern zu Hause sinnvoll.
Ein Händigkeitstest empfiehlt sich - möglichst noch vor Schulbeginn - vor allem für Kinder mit noch unklarer Händigkeit. Sehr oft ist dies Symptom einer leichten Gehirnfunktionsstörung oder einer motorischen Entwicklungsverzögerung, welche therapiebedürftig sind. Gerade für solche Kinder ist die Feststellung der dominanten Hand besonders wichtig, weil Umschulung die Symptome verstärkt!
Folgende Elemente gehören zur vorbereiteten Lernumgebung linkshändiger Kinder:
- Linkshändige Kinder brauchen zum Schreiben einen Arbeitsplatz mit Lichteinfall von rechts.
- Am Schreibtisch darf das linkshändige Kind links von sich keinen rechtshändigen Nachbarn haben.
- Stellen Sie den Computer so auf, dass links und rechts Platz für eine Maus ist, und schließen Sie auch 2 Mäuse an! Eine Maus lässt sich ganz einfach für linkshändigen Gebrauch umprogrammieren. Im Fachhandel gibt es auch einen separaten Nummernblock mit Entertaste, der sich links an das Keyboard anfügen lässt.
- Die Taste am Toilettenspülkasten sollte in der Mitte angebracht und Toilettenpapier mit beiden Händen erreichbar sein.
- Folgende Gegenstände braucht das linkshändig Kind in Linkshänderausführung:
  Schere - Achtung: auszuschneidende Figuren spiegelverkehrt kopieren!
  - Bleistiftspitzer
  - Füllfeder
  - Musikinstrumente: z.B. Gitarre, Violine
Linkshändige Kinder führen Bewegungsabläufe beim Tanzen und Musizieren sowie beim Sport oft spiegelverkehrt zu den Rechtshändern aus. Sie haben ein Recht, das zu tun. Wird es ihnen verwehrt, verlieren sie unter Umständen bald die Freude an der Tätigkeit.
Dasselbe gilt für Handarbeiten und Werken: vor allem Stricken und Häkeln muss dem linkshändigen Kind entsprechend vorgezeigt werden. Manche Kinder schaffen es, die Tätigkeit zu spiegeln, wenn ein rechtshändiges Vorbild gegenüber sitzt, nicht alle aber sind dazu in der Lage!

Es genügt nicht, linkshändigen Kindern den Gebrauch der linken Schreibhand nur zu gestatten. Sie haben ein Recht darauf, das Schreiben mit der linken Hand auch gezeigt zu bekommen.

Im Idealfall haben linkshändige Kinder die

richtige Schreibhaltung bereits im Zuge einer

Scheibvorbereitung vor Schulbeginn automatisiert. Leider ist dies nur sehr selten der Fall! Daher brauchen Kinder normalerweise in der Schule entsprechende Anleitung: Das Blatt wird etwas schräg nach rechts gedreht und die Hand locker unter der Zeile geführt. Das hintere Ende des Stiftes zeigt dabei Richtung linke Schulter. Wird das Kind nicht von Anfang an konsequent an die richtige Haltung erinnert, verwischt es sich später beim Schreiben mit der Feder die Schrift. Es weicht dann in die charakteristische Hakenhaltung aus, die Schmerzen verursachen kann und zu Haltungsschäden führt. Geeignete Schreibunterlagen, die es im

Fachhandel zu kaufen gibt, erinnern die Kinder an eine gute Schreibhaltung.

Linkshändige Kinder neigen anfangs zu Spiegelschrift. Dies ist kein Anzeichen einer legasthenischen Veranlagung! Echte Legasthenie kommt in gleicher Weise bei rechtshändigen wie bei linkshändigen Kindern vor. Normal begabte Kinder gewöhnen sich mit der Zeit an die gängige Schreibrichtung. Allerdings benötigt dies bei linkshändigen Kindern zunächst besondere methodische Unterstützung! Schreiben Sie Wort- und Buchstabenmodelle stets sowohl an das linke wie an das rechte Zeilenende und versehen sie dann die linke Seite mit einem Pfeil, der den Beginn markiert! Auch bei korrekter Schreibhaltung ist für LinkshänderInnen der linke Seitenrand während des Schreibens oft schlecht einsehbar, sodass sich das Kind besser rechts orientieren kann.
Die Strichführung ist für LinkshänderInnen und RechtshänderInnen gleich. Vergessen Sie nicht, linkshändige Kinder immer wieder eigens darauf hinzuweisen! Sie neigen sonst dazu, Buchstaben entgegen der Schreibrichtung zu realisieren, sodass sich der Schreibfluss verzögert aufbaut.
Weiterbildungen in Linkshänderpädagogik für VolksschullehrerInnen werden im Rahmen von SCHILF (Schulinterne LehrerInnenfortbildung) angeboten. Die Kurse werden geleitet von
Dr. Peter Böhm, der das Projekt "Förderung von Kindern mit linkshändiger Begabung" an 4 Wiener Volksschulen wissenschaftlich betreut.
Zur Vertiefung des Themas empfiehlt sich das Studium folgender Standardliteratur von Dr. Johanna Barbara Sattler:

"Das linkshändige Kind in der Grundschule"
"Übungen für Linkshänder - schreiben und hantieren mit links"
"Übungsheft für Linkshänder"
"Der umgeschulte Linkshänder oder der Knoten im Gehirn"
Wo es die wichtigsten Schulsachen für LinkshänderInnen zu kaufen gibt, lesen Sie unter
Fachhandel.

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