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Motorische Dominanz - ein vernachlässigter Faktor in der TherapieArtikel in der Zeitschrift ergoTHERAPIE 1/2005 Die motorische Bevorzugung einer Körperseite, welche mit der Dominanz der kontralateralen Gehirnhälfte einhergeht, äußerst sich vor allem als Rechts- und Linkshändigkeit. Dass Linkshändigkeit ebenso eine normale Variante des zerebralen Dominanzmusters der Motorik darstellt wie Rechthändigkeit, ist inzwischen allgemein bekannt. Ebenso ist bekannt, dass die Umschulung auf die nicht dominante Schreibhand bei linkshändigen Kindern nicht wünschenswert ist. Mit diesen Klarstellungen verschwindet das Thema aber meist auch schon wieder aus der öffentlichen Diskussion. Gleichzeitig werden Gebrauchsgegenstände weiterhin fast ausschließlich für den rechtshändigen Gebrauch ergonomisch optimiert, arbeitsmedizinische Normen berücksichtigen die natürlichen Bedürfnisse von Linkshändern kaum. Leider funktioniert die Automatisierung nicht händigkeitsgerechter Handlungsabläufe ebenso gut wie etwa jene unphysiologischer Sitzhaltungen. Das natürliche Körperbewusstsein ist durch Erziehung korrumpierbar. Während aber beispielsweise die Bedeutung ergonomischer Büromöbel für die Prävention von Haltungsschäden allgemein bekannt ist, wird die Adaptionsfähigkeit von Linkshändern an eine rechtshändergerechte Zivilisation immer noch häufig idealisiert. So kommt es auch heute noch vielfach zur Umschulung vorschulpflichtiger linkshändiger Kinder auf die rechte Hand durch das Fehlen geeigneter Gebrauchsgegenstände sowie durch Modellverhalten in einem rechtshändigen sozialen Umfeld. Die Ergebnisse von Händigkeitstests bei der Einschulung werden dann als angebliche "Beidhändigkeit" gedeutet oder ergeben gar Rechtshänderwerte und führen so zum besonders schädlichen Schreiben mit der nicht dominanten Hand. Eine wissenschaftliche Studie hat die Persistenz abweichender zerebraler Aktivität bei umgeschulten Linkshändern im Vergleich zu Rechtshändern für das Schreiben eindrucksvoll dokumentiert (Hartwig R. Siebner et al.: "Long-Term Consequences of Switching Handedness: A Positron Emission Tomography Study on Handwriting in ´Converted` Left-Handers", in: The Journal of Neuroscience, April 1, 2002, 22(7):2816-2825). Die daraus folgenden Störungen liegen naturgemäß vorwiegend im neurologischen bzw. psychologischen und kaum im orthopädischen Bereich und sind daher - zumindest für den Laien - von außen schwer nachvollziehbar. Wie es Frau Dr. Sattler, die Leiterin der Ersten Deutschen Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder ( www.linkshaender-beratung.de ) im Rahmen ihrer nun fast 20jährigen Beratungstätigkeit umfassend dokumentiert hat, geht es dabei um scheinbar unspezifische Befunde wie Gedächtnisstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Lese-Rechtschreib-Auffälligkeiten, Links-Rechts-Unsicherheiten, feinmotorische Störungen und Sprachauffälligkeiten, welche über die Anamnese teilweise auch andere Deutungen zulassen. Noch unspezifischer treten die Sekundärfolgen in Erscheinung. Es handelt sich um Minderwertigkeitskomplexe, Unsicherheit, Zurückgezogenheit und Verhaltensprobleme, die im Rahmen einer Psychotherapie - infolge mangelnden Problembewusstseins - unschwer auch anderen biographischen Ursachen zugeschrieben werden könnten. Die angesprochenen Auffälligkeiten treten nicht notwendigerweise schon bei Kindern auf, sie bleiben manchmal bis ins Erwachsenenalter hinein verdeckt und werden dann zum Zeitpunkt ihrer Dekompensation mit der Ursache nicht mehr in Zusammenhang gebracht. Es ist daher unumgänglich notwendig, sich entsprechendes Fachwissen anzueignen, wenn es darum geht, mit Umschulungsfolgen professionell umzugehen. Der "blinde Fleck" im öffentlichen, im therapeutischen wie auch im individuellen Bewusstsein der Linkshänder führt nämlich dazu, dass die Probleme auf allen drei Ebenen weiterhin bagatellisiert werden. So orientiert man sich bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen immer noch vornehmlich an den Rückmeldungen erwachsener Linkshänder, welche die Angebote linkshändergerechter Gebrauchsartikel und Geräte, die ihren automatisierten Bewegungsgewohnheiten widersprechen, verständlicherweise ausschlagen. Die Linkshänder-Initiative Wien hat es sich zur Aufgabe gesetzt, linkshändige Menschen in ihrer Begabung zu fördern und zu unterstützen. In der Beratungsstelle wird die Möglichkeit geboten, Kinder und auch Erwachsene einem Händigkeitstest zu unterziehen. Umgeschulte Linkshänder haben dann die Möglichkeit, ihre Situation psychologisch aufzuarbeiten. Wo es sinnvoll ist, wird eventuell auch eine Rückschulung auf die dominante Hand - bis hin zum Schreiben mit der linken Hand - professionell begleitet. Es können darüber hinaus auch speziell für Linkshänder konstruierte Gebrauchsgegenstände besichtigt und erprobt werden. Es wäre wünschenswert, wenn sich, wie das in Deutschland schon der Fall ist, auch in Österreich einzelne Ergotherapeuten auf das Thema spezialisieren würden. Die Möglichkeit, eine entsprechend fundierte Zusatzausbildung zu absolvieren, besteht in Deutschland bei Frau Dr. Johanna Barbara Sattler Sendlinger Str. 17 |
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© Dr. Elisabeth Ertl - 2005 |